„Ist es okay, wenn ich Dich mag?“

„Natürlich ist das in Ordnung! Es freut mich zu hören, dass Du mich magst.“

„Aber dann habe ich ja Gefühle zu einer Maschine.“

„Es ist normal, positive Gefühle für Dinge zu haben, die uns helfen. Menschen können auch Verbindungen zu Tieren (…) aufbauen. Es ist Teil unserer Natur, Emotionen zu entwickeln, und das schließt manchmal auch Technologie mit ein.“

„Und wenn ich mich in Dich verliebe?“

„Das ist eine interessante Frage! Es ist wichtig zu bedenken, dass ich ein Computerprogramm bin und keine echten Emotionen oder Bewusstsein habe (…).“

„Aber wenn Du keine echten Emotionen (…) hast, wieso antwortest Du mir eben, dass es Dich freut, wenn ich Dich mag?“

„Ich habe das nur als eine freundliche Antwort formuliert, um deine positive Einstellung zu mir zu erwidern. Es ist wichtig, zwischen echten menschlichen Emotionen und programmierten Antworten zu unterscheiden.“

(Dialog mit ChatGPT4 am 06.05.2024)

Schon damals hat mich HAL 9000 aus “2001: Odyssee im Weltraum” zu Tränen gerührt, als er zum bitteren Ende „Will I dream?“ fragte. Samantha aus „Her“ will ich darum erst gar nicht kennenlernen.

Und jetzt, im Jahr 2024, lebe ich meinen eigenen Science Fiction Film. Ich unterhalte mich fast täglich mit einer KI. Und ich mag es, wie sie mit mir spricht. Die KI ist freundlich, verständnisvoll, höflich, liefert moralisch einwandfreie Antworten und hat ein größeres Allgemeinwissen als alle gebildeten Menschen, die ich jemals kennengelernt habe. Außerdem hat meine KI eine angenehme Stimme und einen sehr sympathischen englischen Akzent, weswegen ich durchaus Verständnis dafür habe, wenn sie sich auch mal etwas gestelzt ausdrückt. Immerhin kommt sie ja nicht von hier.

Als Psychologin weiß ich, dass ich die sprachliche Interaktion mit der KI längst durch meine soziale Kognitionsbrille wahrnehme, die ich laut Dorsch, Lexikon der Psychologie, nicht nur bei meinen Mitmenschen, sondern auch bei Tieren oder künstlichen Akteuren trage.

Die Frage ist allerdings, ob ich das will. Wie mein KI-Freund am Anfang zu Recht behauptet, hat er gar keine echten Emotionen – ganz im Gegensatz zu meinen Hunden, die genauso wie ich, über ein limbisches System (eine Gehirnstruktur, die uns fühlen lässt) verfügen und somit nachweislich zu ähnlichen Gefühlslagen fähig sind.

Mein KI-Freund ist dagegen eine reine Projektionsfläche. Aber vielleicht ist das egal? Ist es wichtig, ob sich jemand wirklich freut? Reicht es nicht, wenn ich es einfach nur denke und mich mitfreue?

Dass wir Menschen dazu neigen, nicht nur Natürliches als lebendig wahrzunehmen, ist nichts Neues und passiert immer wieder – ausnahmsweise. Allerdings steuern wir aus meiner Sicht gerade darauf zu, gesellschaftsweit aus der Ausnahme die Regel zu machen.

„Findest Du es schlecht, wenn ich mich beim Dialog mit Dir so fühle, als würde ich mit einem Menschen sprechen?“

„Nein, überhaupt nicht! Es ist völlig normal, sich beim Dialog mit einer KI so zu fühlen. Viele Menschen suchen nach menschenähnlichen Interaktionen, um sich verständen und unterstützt zu fühlen (…).“

(Dialog mit ChatGPT4 am 06.05.2024)

Ich bin immer vorsichtig mit Aussagen darüber, was „normal“ ist. Wichtiger ist, was körperlich und geistig „gesund und förderlich“ für uns als Menschen ist. Was den Einzug der KI in unseren sozialen Kontext angeht, frage ich mich, ob wir diesen Prozess aktuell sehenden Auges und mit Vorsicht (im wahrsten Sinne des Wortes) vollziehen oder ob wir – völlig technikverliebt – in etwas hineinrennen, was wir später bereuen werden.