GenAI im UX-Design: Alles plötzlich ganz schnell – aber wohin mit der gewonnenen Zeit?

Was früher Tage dauerte, gelingt heute in Minuten. Generative KI erzeugt Design-Vorschläge, sortiert Layout-Alternativen und liefert fertige Prototypen – in Serie. Doch der Freiheitsgewinn im Design bringt neue Fragen mit sich. Wo zuvor Ressourcen für visuelle Gestaltung gebunden waren, entstehen nun Freiräume. Diese können produktiv genutzt werden – etwa dort, wo bislang zu wenig in die Erhebung und Umsetzung von Erfordernissen (User Needs) investiert wurde. Gestaltung wird schneller – aber was geschieht im Problemraum?

Gestaltungsraum erweitern – mehr Nutzungsanforderungen realisieren

Die eigentliche Stärke von GenAI liegt darin, bislang schwer realisierbare Erfordernisse gezielt und effizient in Lösungen umzusetzen. Im klassischen Design-Prozess kam es häufig zu Kompromissen und Priorisierungen, bei denen viele Erfordernisse aus Kapazitätsgründen unberücksichtigt blieben. Dank KI-Unterstützung entstehen Gestaltungsvarianten schneller, wodurch auch weniger offensichtliche, jedoch relevante Erfordernisse eine realistische Chance auf Umsetzung erhalten.

Dies erweitert den Gestaltungsraum im Usability-Engineering erheblich. Die Chance besteht darin, umfassender und konsequenter auf das einzugehen, was im Nutzungskontext erforderlich ist, um Aufgaben erfolgreich und zufriedenstellend zu bewältigen. Auch bislang vermeintlich nebensächliche Erfordernisse, die dennoch positiven Einfluss auf die Gesamtqualität haben können, lassen sich so gezielt berücksichtigen.

Kreative Lösungen durch KI-Unterstützung gezielt fördern

Eine weitere Perspektive der GenAI-Unterstützung liegt in der Förderung kreativer Lösungsansätze. Statt nur aus einer Vielzahl generierter Varianten auszuwählen, eröffnet sich die Möglichkeit, auch ungewöhnlichere Entwürfe zu entdecken, die im herkömmlichen Ablauf nicht entstanden wären. Dies betrifft insbesondere Lösungen, die auf komplexere Aufgaben und differenzierte Erfordernisse reagieren.

Die Vielfalt, die sich mit KI-Unterstützung erzeugen lässt, steigert nicht nur die Quantität, sondern auch die Passgenauigkeit – vorausgesetzt, die Lösungen basieren auf fundierter Analyse des Nutzungskontexts und der zugrunde liegenden Erfordernisse.

Freie Ressourcen für fundierten User-Research nutzen

Ein zentraler Mehrwert der beschleunigten Design-Phase liegt im Bereich der Anforderungsanalyse und Nutzerforschung. Viele Projekte scheitern nicht an der Gestaltung, sondern an unklaren, unentdeckten oder falsch verstandenen Erfordernissen. Die Ursachen liegen meist in unzureichender Kontextanalyse, oberflächlicher Methodik oder Zeitmangel in frühen Projektphasen.

Mit GenAI entstehen nun Freiräume, um genau hier nachzuschärfen: Aufgabenmodellierungen, Kontextinterviews, strukturierte Erhebung von Erfordernissen – also das, was erforderlich ist, damit Nutzende ihre Ziele im jeweiligen Nutzungskontext tatsächlich erreichen können. Aus diesen Erfordernissen lassen sich anschließend überprüfbare Nutzungsanforderungen ableiten.

Empirisch fundierte Nutzerforschung wird so nicht nur wieder möglich, sondern zu einem notwendigen Gegengewicht zur beschleunigten Gestaltung.

Neue Aufgabenfelder für UX-Designer erschließen

Die veränderte Arbeitsteilung durch GenAI wirkt sich auch auf Rollenprofile im UX-Design aus. Wer bislang überwiegend in der visuellen Gestaltung tätig war, kann sich verstärkt analytischen und forschungsbezogenen Aufgaben zuwenden – insbesondere der systematischen Erhebung von Nutzungskontexten, der Entwicklung von erforderlichen Nutzungsanforderungen sowie deren Einordnung in aufgabenlogisch strukturierte Aufgabenmodelle.

In den Vordergrund rücken damit Tätigkeiten, die bislang häufig nur ergänzend betrachtet wurden: das Erheben und Verdichten von Erfordernissen (User Needs), das Ableiten prüfbarer Anforderungen an interaktive Systeme und das Modellieren der damit verbundenen Kernaufgaben. Diese Felder gewinnen an Bedeutung – sowohl für die Qualität der Gestaltung als auch für die methodische Reife der Prozesse im Usability-Engineering.

GenAI beschleunigt Gestaltung – und stärkt das methodische Fundament

Generative KI verschiebt die Gewichte im User-Experience-Design. Visuelle Entwürfe entstehen schneller – aber umso mehr stellt sich die Frage, worauf diese Entwürfe überhaupt basieren. Mit der frei werdenden Zeit entsteht die Chance, endlich fundierter zu untersuchen, welche Erfordernisse im jeweiligen Nutzungskontext bestehen und wie daraus tragfähige Nutzungsanforderungen formuliert werden können.

Die Gestaltung wird durch KI nicht ersetzt, sondern entlastet – der Wert entsteht dort, wo empirische Erkenntnisse über reale Aufgaben, Ziele und Nutzungskontexte zu besseren Lösungen führen. Genau das rückt nun wieder in den Vordergrund.

Weiterführende Quellen:

  • McKinsey (2018). The Business Value of Design
  • Studie Beyond Automation (2025)
  • Studie Generative AI in User Experience Design and Research (2024)

Via:

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