Ein zukunftsweisendes Anwendungsfeld für eine differenzierte Betrachtung von Usability und UX ist die Gestaltung sprachbasierter Nutzungsschnittstellen (Sprachschnittstellen). Hier zeigt sich besonders deutlich, wie wichtig kontextbezogenes Verstehen, klare Interaktion und realistische Erwartungssteuerung sind.
Die Begriffe Usability und User Experience (UX) werden im Alltag oft synonym verwendet, unterscheiden sich jedoch grundlegend in ihrer Definition und ihrem Fokus. Die Normen DIN EN ISO 9241-11:2018 und DIN EN ISO 9241-210:2019 schaffen Klarheit.
DIN EN ISO 9241-11 definiert Usability als:
„Ausmaß, in dem ein System, Produkt oder Dienst von bestimmten Benutzern in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen.“
Usability ist damit klar auf die Zielerreichung innerhalb eines bestimmten Kontexts ausgerichtet. Drei grundlegende Qualitätsmerkmale stehen dabei im Zentrum:
- Effektivität: Genauigkeit und Vollständigkeit der Zielerreichung
- Effizienz: Aufwand im Verhältnis zum Ergebnis
- Zufriedenstellung: subjektives Nutzungserleben
DIN EN ISO 9241-210 erweitert diesen Blickwinkel und beschreibt die aus der Nutzung resultierende Nutzungserfahrung (User Experience) als:
„Wahrnehmungen und Reaktionen einer Person, die aus der tatsächlichen und/oder erwarteten Nutzung eines Produkts, Systems oder Dienstes resultieren.“
Im Unterschied zur Usability umfasst UX auch emotionale, motivationale und kontextuelle Aspekte vor, während und nach der Nutzung. Die Erwartungen an die Nutzung und die gesamte Wahrnehmungskette stehen im Mittelpunkt.
Grundprinzipien der menschzentrierten Gestaltung (nach ISO 9241-210)
Die DIN EN ISO 9241-210 beschreibt sieben Grundprinzipien, die als normative Leitlinien für eine menschzentrierte Gestaltung dienen. Sie sorgen dafür, dass Erfordernisse (User Needs) systematisch erfasst und daraus abgeleitete Nutzungsanforderungen in die Gestaltung umgesetzt werden:
- Explizites Verstehen von Aufgaben, Erfordernissen und dem Nutzungskontext zukünftiger Nutzer: Vor der Nutzung müssen potenzielle Nutzergruppen sowie deren Aufgaben und Erfordernisse verstanden werden.
- Frühe und kontinuierliche Einbeziehung der Nutzer in den Entwicklungsprozess.
- Nutzerzentrierte Evaluation zur Steuerung und Verbesserung.
- Iteratives Vorgehen: Gestaltung erfolgt in wiederholten Schleifen von Entwicklung und Prüfung.
- Ganzheitliche Betrachtung der Nutzungserfahrung: Alle Berührungspunkte zählen.
- Einsatz multidisziplinärer Teams aus Usability, Technik, Gestaltung etc.
- Integration in den gesamten Lebenszyklus eines Produkts.
Praktische Bedeutung in der Gestaltung von Sprachschnittstellen
Ein zukunftsweisendes Anwendungsfeld für diese Normen ist das Design von Language User Interfaces (LUIs), also sprachbasierten Nutzungsschnittstellen. Hier wird deutlich, wie wichtig kontextbezogenes Verstehen und systematische Evaluation sind.
Ein Vergleich unterschiedlicher Systeme zur Sprachinteraktion zeigt, wie entscheidend die Berücksichtigung von Erfordernissen, Erwartungsmanagement, Feedbackmechanismen und Reaktionszeiten ist.
Erfahrungen mit frühen Systemen zeigen, dass eine gelungene Integration, geringe Latenz und passive Vorschläge, die leicht ignorierbar sind, positiv zur UX beitragen können. Hingegen führen anthropomorphe Signale wie Ich-Perspektiven oder übertriebene Sprachpersonalisierung häufig zu falschen Erwartungen und problematischen Interaktionen.
Gestaltungsempfehlungen für die Gestaltung von Sprachschnittstellen
Basierend auf den in DIN EN ISO 9241-11 und DIN EN ISO 9241-210 formulierten Anforderungen an Gebrauchstauglichkeit und Nutzungserlebnis lassen sich konkrete Empfehlungen ableiten. Diese zielen darauf ab, die Erfordernisse der Nutzer systematisch zu berücksichtigen und sowohl effiziente Nutzung als auch positive Nutzungserfahrungen zu ermöglichen:
- Keine menschlichen Namen für KI-Systeme vergeben, da sie anthropomorphe Erwartungen wecken können. Die Systemgestaltung sollte bewusst maschinell bleiben.
- Maschinelle Ausdrucksweise verwenden: Sachlich und klar, ohne Ich-Botschaften oder übertriebene Emotionalisierung.
- Affordanzen (Nutzungshinweise) und Signifiers (deutliche Hinweise) konsistent gestalten.
- Zeitnahes und klares Feedback: Nutzer müssen direkt erkennen können, ob Eingaben erfolgreich waren.
- Erwartungen steuern: durch realistische Darstellung der Systemfähigkeiten.
- Nutzerbefragungen, Tests und Iterationen im Designprozess verankern, um Gestaltung kontinuierlich auszurichten.
GenAI mit Usability-Engineering und UX-Design zum Erfolg führen
Die Gestaltung sprachbasierter Nutzungsschnittstellen zeigt exemplarisch, wie sich durch die systematische Anwendung der Normen DIN EN ISO 9241-11 und DIN EN ISO 9241-210 qualitativ hochwertige, benutzerzentrierte Systeme realisieren lassen.
Ein fundiertes Verständnis von Nutzungskontexten, die Einbeziehung von Erfordernissen (User Needs) sowie eine klare Erwartungssteuerung sind entscheidend – insbesondere im Umgang mit generativer KI.
UX-Design und Usability-Engineering liefern das methodische Fundament, um KI-Systeme nicht nur technisch, sondern auch nutzungsorientiert erfolgreich zu gestalten. Die Trennung zwischen Usability (zielgerichtete Nutzung) und UX (subjektives Nutzungserleben) hilft, Anforderungen differenziert zu erfassen und umzusetzen – von der ersten Konzeption bis zur laufenden Optimierung im Einsatz.