Vom Dialog zum Kollegen – Wenn AI Agents Aufgaben übernehmen und als Dienstleistungssysteme agieren

Kaum ein Begriff ist aktuell so prominent wie „AI Agents“ – autonome, aufgabenbezogene Softwarekomponenten, die Aufgaben erledigen, Entscheidungen vorbereiten, Abläufe koordinieren oder gar komplett durchführen. Der Gedanke, dass digitale Agenten nicht nur unterstützen, sondern mitdenken, planen und handeln, lässt viele aufhorchen – besonders im Feld von Usability und Nutzungserlebnis (User Experience). Dabei verändert sich die Gestaltung interaktiver Systeme grundlegend: Sie sind nicht mehr nur Werkzeuge, sondern entwickeln sich zu eigenständig agierenden Partnern.

Es stellt sich die Frage, wie sich interaktive Produkte und zugehörige Dienstleistungen verändern, wenn Aufgaben zunehmend von AI Agents übernommen werden. Wie wandelt sich die Interaktion mit der Lösung, wenn der Nutzer das Ergebnis nicht mehr unmittelbar selbst erzeugt, sondern seine Ziele an einen Agenten delegiert – und stattdessen die Abläufe überwacht und die Ergebnisse bewertet? Was bedeutet das für die Gestaltung, wenn das Interface zur Übergabestelle wird – und die Dienstleistung im Hintergrund autonom erbracht wird?

Von der Steuerbarkeit zur Autonomie

Eines der zentralen Interaktionsprinzipien der ISO 9241-110 lautet: Steuerbarkeit. Systeme sollen so gestaltet sein, dass Nutzer jederzeit Kontrolle über den Dialogverlauf haben. Doch AI Agents, die eigenständig entscheiden, wie sie Aufgaben bearbeiten, kehren dieses Prinzip scheinbar um: Der Mensch gibt nur noch den Impuls – die Ausführung übernimmt der Agent, oft mit mehreren Zwischenschritten, die nicht mehr direkt sichtbar sind.

Das führt zu einer fundamentalen Veränderung des Rollenverständnisses:

  • Der Mensch wird zum Anfordernden, der nicht mehr jede Interaktion explizit steuert.
  • Der Agent wird zur teilautonomen Instanz, die Entscheidungen trifft, priorisiert, interagiert und ggf. Rückfragen stellt.

Damit stellt sich die Frage: Wie lässt sich die Gebrauchstauglichkeit interaktiver Lösungen so gestalten, dass sie auch dann den Erfordernissen der Nutzerinnen und Nutzer entspricht, wenn diese nicht mehr direkt über ein Interface eingreifen, sondern Aufgaben an Agenten delegieren und nur noch Ergebnisse bewerten?

Effizienz verstehen: Vom Klick zur Wirkung

Effizienz beschreibt das Verhältnis zwischen dem Aufwand, den eine Nutzerin oder ein Nutzer aufbringen muss, und dem erzielten Ergebnis. Wenn dieser Aufwand auf ein einziges Prompt schrumpft – und das Ergebnis durch ein komplexes Agentennetzwerk erbracht wird –, entstehen neue Anforderungen an die Gestaltung.

Um Effizienz im Sinne menschzentrierter Gestaltung sicherzustellen, besteht die Herausforderung darin:

  • mentale Aufwände (z.?B. beim Prompting oder bei der Fehlerkontrolle) zu erfassen,
  • Verstehbarkeit der Abläufe zu gewährleisten,
  • und Feedbackschleifen so zu gestalten, dass Nutzer Vertrauen und Kontrolle behalten.

Ein AI-Agent kann in Bezug auf Zeit und Ergebnis durchaus effizient arbeiten – allerdings darf dies nicht mit erhöhter kognitiver Belastung auf Seiten der Nutzerinnen und Nutzer einhergehen. Effizient ist eine Lösung dann, wenn sie zielgerichtet, anschlussfähig und mit möglichst geringem kognitiven Aufwand nutzbar ist.

Beispiel: Ein Geschenk finden – mit und ohne Agent

Stellen wir uns zwei Szenarien vor: Eine Nutzerin sucht ein Geburtstagsgeschenk für einen Freund. Es soll zwischen 40 und 60 Euro kosten, rechtzeitig in drei Tagen ankommen, idealerweise in seiner Lieblingsfarbe gestaltet sein und zu den Interessen des Freundes passen – etwa Kaffee und Outdoor.

Ohne AI-Agent klickt sie sich durch mehrere Shops, filtert manuell nach Preis und Lieferzeit, liest Rezensionen, vergleicht Produkte, prüft Lieferoptionen, wechselt mehrfach zwischen Tabs und verliert zwischendurch den Überblick.

Mit einem AI-Agenten formuliert sie ein kurzes Ziel: „Finde mir ein Geschenk in seiner Lieblingsfarbe für einen kaffeeliebenden Outdoor-Fan zwischen 40 und 60 Euro, das in drei Tagen geliefert werden kann und sich als Geschenk eignet.“ Der Agent analysiert Marktplätze, berücksichtigt den Kontext, bewertet Produkte nach passenden Kriterien und präsentiert drei Vorschläge. Die Nutzerin kann per Klick bestellen und eine Geschenkverpackung hinzufügen.

Der Aufwand sinkt drastisch – allerdings nur, wenn die Agenten die Ziele korrekt interpretieren, transparent priorisieren und die Auswahl nachvollziehbar machen. Hier zeigt sich: Effizienz ist nicht nur Geschwindigkeit, sondern auch kognitive Entlastung bei maximaler Anschlussfähigkeit.

Zufriedenstellung durch passende Gestaltung

AI Agents sind nicht von sich aus gebrauchstauglich. Ob sie effektiv, effizient und zufriedenstellend im Sinne der DIN EN ISO 9241-11 sind, hängt allein von ihrer Gestaltung ab – und davon, ob sie entlang der typischen informellen Aufgabenerledigung passend zu den Erfordernissen (User Needs) entworfen wurden.

Ein gut gestalteter Agent erzeugt:

  • Erfolgserlebnisse durch gelöste Aufgaben,
  • Vertrauen durch transparente Rückmeldungen,
  • und Bindung durch wahrgenommene individuelle Unterstützung.

Gerade bei AI-Agenten, die Empfehlungen aussprechen oder Entscheidungen vorbereiten, ist Zufriedenstellung eng mit Vertrauen verbunden. Nur wer nachvollziehen kann, wie eine Auswahl zustande kommt, erlebt Unterstützung.

Neue Gestaltungsdimensionen – und was sie für Organisationen bedeuten

AI Agents verändern nicht nur die Interaktion einzelner Nutzer mit digitalen Systemen, sondern bieten Organisationen neue Potenziale zur Gestaltung ganzer Dienstleistungssysteme. Im Unterschied zu früher geht es nicht mehr nur um interaktive Produkte oder zusätzliche Services – Dienstleistungen selbst werden nun als Systeme konzipiert, in denen Menschen nicht mehr alles selbst erledigen, sondern ihre Aufgaben delegieren und stattdessen Abläufe initiieren und Ergebnisse prüfen.

Die Gestaltung erweitert sich damit von der Oberfläche auf die Logik der Zusammenarbeit: Übergabepunkte, Erwartungsmanagement und Ergebnisbewertung werden zu zentralen Gestaltungsfragen.
Zugleich entstehen durch AI Agents neue Chancen für Unternehmen, ihre Services qualitativ und quantitativ auszubauen – bei gleichzeitig sinkendem Ressourcenaufwand. Studien zeigen bereits Effekte auf Bearbeitungszeiten, Kundenzufriedenheit und Serviceerweiterungen.

Für die Nutzungserlebnis-Gestaltung bedeutet das:

  • Aufgaben passend zu den Erfordernissen der Nutzer zu unterstützen,
  • Agentensysteme mit geringem Steuerungsaufwand nutzbar zu machen,
  • und durch transparente, nachvollziehbare Ergebnisse Zufriedenheit und Vertrauen zu fördern.

Usability als Grundlage für Qualität, Nutzungserlebnis und Wertschöpfung

Usability ist kein Zusatznutzen – sie ist Voraussetzung für die Nutzungsqualität digitaler Systeme. Ein System, das nicht usable ist, verliert seinen Wert.
Die Gebrauchstauglichkeit (Usability) beeinflusst direkt das Nutzungserlebnis (UX). Sie ist der Ausgangspunkt für eine positiv erlebte, sinnvolle Interaktion – ganz gleich, ob der Mensch klickt, promptet oder beobachtet.

Mit dem Einzug von AI Agents werden nicht nur Aufgaben automatisiert – auch die Rolle der Nutzer ändert sich. Aus Bedienenden werden Delegierende. Doch Effektivität, Effizienz und Zufriedenstellung bleiben unverzichtbar. Sie sind die Kriterien für nutzbare Lösungen – auch und gerade dann, wenn einzelne Etappen einer Aufgabenerledigung nicht mehr vollständig sichtbar sind.

Fachleute für Usability und UX stehen damit vor der Aufgabe:

  • menschenzentrierte Perspektiven auf Agentensysteme anzuwenden,
  • Evaluationen auch auf unsichtbare Interaktionen auszuweiten,
  • und Gestaltungsansätze zu etablieren, die Transparenz, Zielpassung und Anschlussfähigkeit sichern.

Kurz: Usability ist und bleibt das Fundament gelungener Mensch-Technik-Interaktion – auch im Zeitalter der Agenten.